San Francisco – ein grüner Vorreiter?

Wahrscheinlich habe ich momentan nur Scheuklappen auf, aber ich habe das Gefühl, hier gar nichts von “Fridays for future” mitzubekommen. Während ich über Freunde und Familie höre, dass in Deutschland auf einmal Leute darüber reden, für die das Thema vorher nie auf der Agenda war, höre ich hier… nichts. Dabei ist Kalifornien bereits einer der grünsten Staaten in den USA, und San Francisco einer der grünen Vorreiter (zusammen mit Portland in Oregon). Als ich hier her gekommen bin, war ich auch überrascht von der (vielleicht subjektiv empfundenen) Energieverschwendung und dem Lebensstil hier. Obwohl in San Francisco fast das ganze Jahr lang milde Temperaturen herrschen (zwischen 12-24°C) friere ich hier permanent in den Gebäuden. In vielen Wohnungen, in denen wir wohnten, hatten wir den ganzen Tag das Licht an, weil sie selbst im Frühsommer mit täglichem mediteranem Sonnenschein so dunkel waren. Der Kühlschrank brummt laut und wahrscheinlich gar nicht energieeffizient vor sich hin, genauso wie die Waschmaschinen und der Trockner (bei denen die Wäsche trotzdem nicht sauber wird). Keiner trocknet hier Wäsche im Freien – obwohl der Wind ein idealer, umweltfreundlicher, kostenloser Wäschetrockner wäre. Wird es nachmittags einmal wärmer ist der Wohnung sofort stickig und warm. Die Dusche muss gefühlt minutenlang in einem sattem Strahl laufen gelassen werden, bis das Wasser warm ist, die Wassermenge kann man auch nicht regulieren. Immerhin, es gibt immer mehr Haushalte mit Wasserspartoiletten die bei jeden Spülvorgang weniger Trinkwasser im Abwassersystem verschwinden lassen als die amerikanische Standardtoilette (Wasserspartasten gibt es jedoch nicht). Private Gärten werden hier fast konstant bewässert, da sie sonst beige-vertrocknet statt üppig-grün wären. Aus Mangel an Alternativen vor Ort kaufen wir fast täglich online ein – genauso wie unsere Nachbarn – was die Mülltonne mit Versandkartons füllt. Die Straßen sind mit Uber- und Lyfttaxis verstopft, die von allen genutzt werden, die es eilig haben oder keine Lust auf die überfüllten Busse haben.

Nun wollte ich wissen, wie San Francisco im Vergleich zu ähnlich großen Metropolen in Mittel- und Nordeuropa abschneidet, hinschtlich CO2 Emissionen, Wasserverbrauch und anderen Kenndaten?

CO2- Emissionen

2016 betrug die CO2 Emission in San Francisco pro Kopf 6,4 Tonnen – 2,5 mal mehr als in Stockholm (2,5 Tonnen pro Einwohner). Die Berliner kamen 2014 auf 4,9 Tonnen., München auf 7,2 Tonnen. Auf dem ersten Blick scheint San Francisco also so gesehen eher Durchschnitt statt Vorreiter zu sein. In Vergleich zu anderen amerikanischen Städten ist San Francisco, zusammen mit New York City (6,1 Tonnen pro Einwohner, Stand: 2015) definitiv ein Vorbild. Los Angeles kommt zum Beispiel auf 13 Tonnen pro Einwohner, die USA im Durchschnitt auf 16,5 Tonnen pro Kopf - fast doppelt soviel wie Deutschland (8,9 Tonnen, Stand: 2014). Eine Schwierigkeit bei der Analyse ist die fehlende Vergleichbarkeit – wurde denn tatsächlich ähnlich gemessen? Auch Industrie vor Ort kann die CO2 Bilanz erheblich verschlechtern (Bremen hat aufgrund der Schwerindustrie 19 Tonnen CO2 Emissionen pro Einwohner!). Auch die Wirtschaftskraft sollte berücksichtigt werden – so rühmt sich München beispielsweise, mit 147 Gramm pro Euro BIP nur halb soviel Emissionen zu haben wie der europäische Durchschnitt. Über die Energieeffizienz einer Stadt – die bei San Francisco wahrscheinlich deutlich schlechter ist als in einer deutschen Großstadt – sagen diese Zahlen auch nichts aus; Wenn die Stadt überwiegend Energie aus erneuerbaren Quellen bezieht, ist der Energieverbrauch plötzlich weniger relevant. Anders als Deutschland scheint Kalifornien eher auf umweltfreundliche Energie statt auf Energiesparen zu setzen.

Wasserverbauch

Wie sieht es mit dem Wasserverbauch aus? Obwohl es mehr als das halbe Jahr nicht regnet, d.h. der Bedarf an künstlicher Bewässerung recht hoch sein dürfte, und es so gut wie keine Wassersparoptionen an WC, Spümaschine, Waschmaschine oder Dusche gibt, beträgt der tägliche pro Kopf-Wasserverbauch mit 155l nur 10l mehr als in München und 45l mehr als in Berlin. Er liegt sogar unter Stockholms Wasserverbauch (200l).

Kalifornien hat im Durchschnitt einen etwa doppelt so hohen Wasserverbauch wie San Francisco – was wenig erstaunlich ist, da doch weite Teile des Staates durch suburbane Wohnsiedlungen mit Gärten geprägt sind. Private Swimming Pools und der Bedarf an künstlicher Bewässerung durch die Niederschlagsarmut erklären den hohen Wasserverbrauch.

Autobesitz

Der öffentliche Nahverkehr in San Francisco ist relativ gut ausgebaut und zugänglich, die Stadt ist recht dicht und in vielen Nachbarschaften kann man sich gut zu Fuß fortbewegen. Die meisten Büroarbeitsplätze befinden sich jedoch Downtown, und auch Supermärkte sind nicht in jeder Nachbarschaft, so dass der Bus ein zeitraubendes Fortbewegungsmittel sein kann. Obwohl das Auto im Alltag daher nicht nötig ist, ist es trotz Staus weiterhin (neben dem Fahrrad) das schnellste Verkehrsmittel. Da die Stadt auch sehr wohlhabend ist, ist es nicht verwunderlich, dass 70% der Haushalte in SF mindestens ein Auto besitzen. Mit ca. 461 PKW pro 1000 Einwohner liegt San Francisco gleich auf mit München (463). Es hat jedoch sogar weniger Autos pro Einwohner als Hamburg (494), allerdings deutlich mehr als Berlin (335), was aufgrund der ökonomischen Unterschiede nicht verwundert. Stockholm hat 370 PKW pro 1000 Einwohner, was möglicherweise auf den guten öffentlichen Nahverkehr, die hohen Mautgebühren und der allgemein grünen Einstellung der Stockholmer zurückzuführen ist.

Fazit

Es ist doch überraschend, wie gut San Francisco im Vergleich mit deutschen Städten bezüglich der untersuchten Kriterien abschneidet obwohl sich der Alltag aus mitteleuropäischer Perspektive doch so garnicht nach ökologisch bewusster Stadt oder gar “grüner Vorreiter” anfühlt. Technische Lösungen um seinen Verbrauch zu senken – ob Energie oder Wasser – ist hier allerdings weniger das Thema (Stichwort: A+++ Elektrogeräte oder Wasserspartasten) . Stattdessen wird beispielsweise auf nachhaltige Energiequellen gesetzt.

Julia Schütz