Alltag in Schweden: Krankenversicherung und Gesundheitssystem

In Deutschland wird ja gerne über die Krankenkassen und das Gesundheitssystem geklagt. Wartezeiten sind zu lange, Ärztemangel auf dem Land, private Zuzahlungen, Zweiklassengesellschaft..., und die Praxisgebühr war auch eine bürokratische Zumutung, die zum Glück schnell wieder abgeschafft wurde.

Hier ist das, was euch in Schweden erwartet (die medizinische Qualität der Behandlung kann ich übrigens nicht einschätzen, da ich noch nicht ernsthaft krank war):

-Beim Arztbesuch zahlt man Praxisgebühr (200-350 SEK), Maximal jedoch 1100 SEK im Jahr (ca. 100 Euro).

-Selten kommt man beim Anruf direkt zu einer Person durch. Meist anwtortet ein Anrufbeantworter, der erst Personnumer, undTelefonnummer abfragt und dann entweder die Möglichkeit lässt, in der Warteschleife zu stehen oder zu einer bestimmten Zeit zurückgerufen zu werden (von einem echten Menschen)

-Den Arzt überhaupt zu sehen ist nicht selbstverständlich, meist wird man am Telefon bereits von besagten Anrufbeantworter oder einer Krankenschwester/Arzthelferin (allerdings mit 3-5 jährigem Hochschulstudium) abgewimmelt

-niedergelassene Arztpraxen gibt es kaum, man geht zum nächsten Vårdcentral (eine Art Ärztehaus, das einen Vertrag mit dem Landsting (eine Art Verwaltungsbezirk) hat, d.h. man trifft auch nicht unbedingt immer den selben Arzt an, sondern den, der gerade Dienst hat (für die Ärzte bedeutet das wahrscheinlich bessere Arbeitsbedingungen)

-Zahnarztliche Behandlungen sind Privatvergnügen (dafür bekommt man, da Selbstzahler, auch mal einen Termin abends um 20 Uhr oder Samstags)

-Vorsorge (Frauenarzt, Hautarzt, etc.) ist zumindest bei jüngeren Leuten nicht verbreitet (in einem Vårdcentral hab ich tatsächlich mal die Werbung für Hautkrebsvorsorge gesehen). Man geht zum Arzt, wenn es sich nicht vermeiden lässt (und wenn man nicht abgewimmelt wird vorher).

-bei Fragen kann man die zentrale Nummer 1177 anrufen, oder auf die Seite 1177.se gehen um sich über Krankheiten, das Gesundheitssystem oder die nächste, geöffnete Vårdcentral zu informieren

Ich weiß nicht, ob das nur ein Gerücht ist, aber ich habe gehört, dass den Schweden abgeraten wird, ein Kind während der Sommerferien (Ende Juni bis Mitte August) zu bekommen, da die Krankenhäuser (und alles andere auch) unterbesetzt sind. In der Zeitung werden auch immer wieder von langen Wartezeiten auf wichtige Operationen berichtet, was im Extremfall schon zu Todesfällen geführt hat. (Zahlen hab ich jetzt nicht, kann daher nicht einschätzen, wie übertrieben diese Berichte sind).

Ach so, wenn man Schwanger ist geht man nicht zum Frauenarzt, sondern zu einer (studierten) Hebamme. Den Arzt sieht man nur, wenn es Probleme gibt (und man sich nicht vorher hat abwimmeln lassen). Ultraschall gibt es max. zwei: einer zur Früherkennung genetischer Effekte, und einer um Organe zu checken- selbst zahlen kann man natürlich so viele man will. Für den Ultraschall geht man dann zu einer extra Ultraschallpraxis oder -hebamme (wofür dann wieder ein Extratermin nötig ist).

Einige, die sowohl das deutsche System als auch das schwedische kennen, sind geschockt, dass sie so wenig untersucht werden und nie einen Arzt sehen; andere finden es angenehm, dass sie sich nicht wie Kranke behandelt fühlen. Kinder werden in beiden Ländern gesund geboren.

Die Müttersterblichkeit war in den letzten Jahren vergleichbar, die Neugeborenensterblichkeit in Deutschland etwas höher (Quelle: OECD).

 

Julia Schütz