Alltag in Schweden: Bostadsrätt - Die schwedische Antwort auf die Eigentumswohnung
In Stockholm machen Eigentumswohnungen einen Anteil von ca. 56% aller Wohnungen aus (Stand: 2017). Eigentumwohnung ist dabei eigentlich der Falsche Begriff, denn man ist in der Regel nicht Eigentümer der Wohnung, sondern besitzt das dauerhafte Recht, in dieser zu wohnen (Bostadsrätt), die Immobilie selbst gehört der Bostadsrättförening (“Wohnungsrechtvereinigung”, im Prinzip die Eigentümergemeinschaft). Ursprünglich stand ein genossenschaftlicher Gedanke dahinter: selbstverwalteten kostengünstigen Wohnraum für die Mitglieder der Genossenschaft zu schaffen. Heute werden Bostadsrätter jedoch auf dem freien Markt verkauft, und der Gewinn fließt dabei nur dem verkaufenden Bostadsrättinhaber zu. Kostengünstiger Wohnraum in Schwedens Großstädten ist in dieser Wohnform dadurch nicht mehr vorhanden. In der Praxis funktioniert ein Bostadsrätt bei Eigennutzung ähnlich einer deutschen Eigentumswohnung. In der Wohnung selbst kann man alles verändern, was die anderen Wohnungen nicht beeinflusst oder die eigene Wohnung unbewohnbar macht. D.h. man darf z.B. nicht ohne Zustimmung der Bostadsrättsförening in tragende Konstruktionen eingreifen oder die Lage von Leitungen, Abwasser oder Gas verlegen. Zudem darf man nicht den Charakter der Wohnung total verändern, z.B. aus einer Gründerzeitwohnung all den Stuck und charakteristischen Elemente entfernen. Küche, Bad und Innentüren können ohne Zustimmung renoviert und ausgetauscht werden (nicht jedoch die Lage des Abflusses und die Leitungen). Am meisten Unterschied zu einer deutschen Eigentumswohnung besteht allerdings wenn man die Wohnung vermieten will. Dies erfordert die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft, und erfordert einen (guten) Grund. Dies kann z.B. sein, weil man ins Ausland oder mit seinem Partner zusammenzieht und dies “testen” will bevor man die Wohnung verkauft. Vermietet werden darf jedoch nur befristet (meist 1 Jahr), was dann ein paar Mal verlängert werden kann. Je nachdem was die Bostadsrättförening in ihrer Verordnung festgelegt hat kan dieser Zeitraum aber auch eingeschränkt werden, so dass z.B. maximal drei Jahre vermietet werden darf. Das bedeutet, dass der Wohnrechteigentümer dann die Wohnung verkaufen oder diese leer stehen lassen muss wenn er nicht selbst wieder einziehen will. In Schweden kauft und verkauft man allerdings seine Wohnung deutlich schneller als in Deutschland. Da Mietwohnungen knapp sind und untervermietete Bostadsrätter auch keine langfristige Lösung ist, kauft man nach Bedarf und gerade vorhandenen finanziellen Mitteln. Aufgrund der enormen Wohnungspreise gibt es vor allem in Stockholm nicht wenige Paare, die Nachwuchs erwarten und trotzdem nur eine 2-Zimmer Wohnung gekauft haben, weil sie sich im Moment nicht mehr leisten können und keine Lust mehr hatten auf unsichere befristete Untervermietungen. Wenn der Bedarf und die Möglichkeiten nach einigen Jahren steigen verkauft man die Wohnung eben wieder und kauft sich eine neue Wohnung, meist mit einem großzügigen Kredit. Die Zeiten der 100% Finanzierung sind jedoch vorbei, in der Regel braucht man 15% Eigenkapital und seit 2018 muss man zudem 1-2% tilgen, sofern man die Immobilie zu mehr als 50% finanziert und keine anderen Ausnahmeregelungen zutreffen (das war vorher nicht der Fall; im Prinzip mieteten die Bostadsrättbewohner “ihre” Wohnung von der Bank und hofften auf Wertsteigerung, oder zumindest keine Wertminderung). Bisher ging diese Rechnung zumindest in Stockholm auch auf, obwohl Experten immer wieder vor einer Immobilienblase hier warnen. Die neue Tilgungsregelung hat zu einem kurzzeitigen Einbruch der Immobilienpreise geführt, nach einiger Zeit stiegen diese jedoch wieder.
Im Gegensatz zu vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, wo sich die Schweden zurücklehnen und auf den Staat verlassen, ist die Bostadsrättförening auf das Engagement und Beteiligung der Mitglieder angewiesen. Die Bostadsrättförening wählt einen Vorstand (Styrelse), der sich um die Verwaltung der Immobilie kümmert. Die meisten Dienstleistungen (Schneeräumen, Treppenhausreinigung, Reperaturen, Hausmeisterdienst usw.) werden an externe Dienstleister vergeben, die jedoch vom Styrelse koordiniert werden. Die Mitglieder der Styrelse arbeiten oft ideell, es kann von den Mitgliedern jedoch auch eine Vergütung bestimmt werden um den Zeiteinsatz zu honorieren.
Im Frühjahr und Herbst werden oft gemeinsame Putz-, Reparatur- und Gartenarbeiten organisiert um die gemeinsam genutzten Flächen auf Vordermann zu bringen. Dies stärkt das Gemeinschaftsgefühl, man lernt seine Nachbarn kennen und spart vielleicht auch die ein oder andere Krone im Verwaltungsbudget. Danach wird zu Pizza oder Burgern geladen. Selten wird dabei länger als 2-3 Stunden gearbeitet um dann anschließend noch eine Stunde gemütlich mit den Nachbarn zu essen und zu plauschen.
Bostadrätter zum Verkauf findet man auf hemnet.se. Privatverkäufer stellen ihre Wohnungen auch manchmal über blocket.se ein.