Arbeitsumfeld

Arbeitszeiten

In Deutschland sind in vielen Akademikerberufen flexible Arbeitszeiten üblich (ist meine persönliche Erfahrung, wenn ich mich so umhöre). Auf Architekturbüros trifft das definitiv nicht zu. Oft fangen alle um 9 Uhr an und arbeiten mindestens bis 18 Uhr, Überstunden sind meist unbezahlt (der Umgang mit Überstunden ändert sich aufgrund des Baubooms und damit verbundenen „Fachkräftemangels“ derzeit etwas, was ich so von ehemaligen Kollegen höre; meine Erfahrungen beziehen sich zudem auf Architekturbüros in Großstädten.). Natürlich darf man nach Absprache auch einmal früher gehen, aber ein „Recht“ auf flexible Gestaltung der Arbeitszeiten hat man in der Regel nicht. Die komplette Freizeitgestaltung findet also nach 18 Uhr statt.

In Schweden achtet man hingegen selbst im Architekturbüro auf Arbeitnehmerrechte. Das kommt daher, dass die viele Architekturbüros der Gewerkschaft („Fackförbundet“) angeschlossen sind, und der Betriebsrat wacht mehr oder weniger streng über die Einhaltung des Arbeitsrechtes. Flexible Arbeitszeiten (in meinem Fall Kernzeit von 9-16 Uhr, davor und danach Flexzeit) sind also auch bei Architekturbüros verbreitet. Es wird auch sehr darauf geachtet, dass sich keiner aufgrund von zu hoher Arbeitsbelastung zu gestresst fühlt – ein ziemlicher Kontrast zum Arbeiten in Deutschland. Dass man sich aufgrund der konfliktvermeidenden Kultur und endlosen Meetings ohne Ergebnis trotzdem gestresst fühlen kann ist ein anderes Thema...

Es ist auch kein Problem, Minusstunden zu haben oder Urlaub im Vorraus zu nehmen. Kündigt man in diesem Fall werden die nicht geleisteten Stunden vom letzten Lohn abgezogen.

Krankheit und VAB

In Schweden muss der erste Krankheitstag von Arbeitnehmer bezahlt werden (“Karensdag”), ab dem zweiten erhält man Krankengeld in Höhe von 80% des Lohns. Obwohl so ein Krankheitsdag wirklich teuer sein kann schleppt sich kaum jemand krank ins Büro (außer vielleicht Ausländer…). Es ist schlicht schlechter Stil andere einem Ansteckungsrisiko auszusetzen, außerdem wird man stets ermahnt auf seine körperliche und psychische Gesundheit zu achten.

Ist das Kind hingegen krank erhällt man Lohnersatz von der Försäkringskassan (VAB = Vård av Barn, Betreuung des kranken Kindes); viele Eltern (zumindest in meinem Büro) teilen sich dabei die Betreuung, so dass jeder nur einem halben Tag “VABen” muss. Zu VABen ist völlig akzeptiert, auch (männliche) Chefs VABen regelmäßig und versuchen das auch nicht zu “vertuschen”.

Sommerurlaub

Wenn ich meinen deutschen Bekannten vom schwedischen Sommerurlaub erzählen ernte ich ungläubige Blicke. Natürlich genieße ich immer, ihnen dieses Kuriosum zu erzählen. In Schweden haben Arbeitnehmer nämlich das Recht auf vier Wochen zusammenhängenden Sommerurlaub. Nachteil an der Regelung ist, dass bei 25 Tagen Urlaub nicht mehr viele freie Tage übrig bleiben, zudem kann man den Urlaub meist nicht nehmen wann man will, sondern oft schließen Büros Anfang Juli für drei bis vier Wochen, bei denen dann erwartet wird, dass man auch Urlaub nimmt. Alle haben also gleichzeitig Ferien, die Stadt ist leergefegt von Einheimischen, viele Restaurants machen dicht, die Ferienorte sind vollgestopft.

Vorteil ist, dass man mit einem schönen Sommerferiengefühl wie damals in der Schule in den Urlaub verschwindet und sich keine Sorgen machen muss, dass in der Zwischenzeit von der Vertretung oder dem Chef das Projekt komplett auf den Kopf gestellt wird.

Eltern hängen an den Sommerurlaub gerne auch noch Elternzeit dran, so dass 6-8 Wochen Sommerfrische nicht unüblich ist. (Elternzeit kann man bis zum Alter 8 Jahren nehmen, bis alle 480 Tage aufgebraucht sind).

Weiterhin interessant ist, dass viele Schweden ihren Urlaub auch kaum zu planen scheinen. Manche wissen bis zum letzten Tag, oder selbst noch im Urlaub noch nicht, ob sie mit dem Auto nach Frankreich fahren, danach bei den Eltern im Sommerhaus zwei Wochen verbringen bevor sie noch eine Woche auf Balkonien chillen, oder ob sie doch lieber mit Freunden in deren Sommerhaus fahren, oder vielleicht doch nochmal drei Tage zwischendrin arbeiten um dann im Ende August nochmal ein paar Tage wegzufahren... Wir Deutschen, denen unser Urlaub heilig ist würden nie auf die Idee kommen, ihn verschwenderisch nicht Monate im Vorraus zu planen. Zudem können die Schweden oft zwischen verschiedensten Ferienhäusern in ihrer Familie und den Freundeskreis wählen. Eine Kollegin hat in ihrer und in der Familie ihres Mannes zusammen ungefähr vier Ferienhäuser zur Auswahl - da kann schon mal Stress aufkommen, wenn man regelmäßig dort aufschlagen will. Luxusprobleme eben...

Arbeitstelefon

Die Schweden sind sehr technikaffin und integrieren Skype-Meetings und Virtual Reality in ihren Alltag. Festnetztelefon und stationäre Computer gibt es in unserem Büro nicht. Jeder bekommt ein Geschäftshandy mit Festnetz- und Mobilnummer, welches man auch privat benutzen darf.

Dadurch, dass man für Gespräche das Großraumbüro verlassen kann und sich in Telefon- oder Besprechungsräume zurückziehen kann ist der Geräuschpegel in schwedischen Büros angenehm niedrig. Verwundert war ich trotzdem, wie wenig schwedische Architekten telefonieren. In Deutschland war immer jemand an der Strippe mit Fachplanern, Bauherrn oder Produktvertretern.

Ich hingegen wurde monatelang nur angerufen, wenn sich jemand verwählt hatte. Die meisten Mails in meiner Mailbox waren interne Mails (à la „wer hat eventuell aus Versehen mein Ladekabel vom Tisch geklaut? Ich brauche es bis heute Abend zurück.“)

Studienreise

Noch bevor ich meinen ersten Arbeitstag angetreten habe, bekam ich eine Organisationsmail mit dem Thema Studienreise. Alle, die mitwollen, sollten eine Rückmeldung geben. Es würde nach Chicago gehen – wooooow! Ein Architekturbüro, das das nötige Kleingeld für eine Studienreise über den Atlantik hat?! Später habe ich rausgefunden, dass Studienreisen zum guten Ton bzw. Statussymbol in schwedischen Büros gehören. Die Reise stellte sich als extrem gut organisiert raus, meine Kollegen aus dem Orgateam hatten sich richtig ins Zeug gelegt und die Reise vollgepackt mit Führungen zu Land, zu Wasser und im Bus. Ich war schwer beeindruckt.

Mein Büro hatte neben der großen Studienreise noch die Tradition einer kleinen Studienreise im Sommer – ein Nachmittag in der Nähe, bei der man etwas Architektur besichtigte und den Abend dann mit Brennball im Park ausklingen ließ.

 

Julia Schütz