Arbeitskultur

Fika- Kaffee pause auf Schwedisch

Fika ist in Schweden heilig. Hier legt man die Basis für vertrauensvolle Zusammenarbeit, neue Freundschaften oder versucht subtil Konflikte aus dem Weg zu räumen oder garnicht erst entstehen zu lassen. Es handelt sich nicht einfach nur um Kaffee trinken (der schwedische Filterkaffee und das „Fikabröd“ (Zimtschnecke und Co) wäre übrigens ein eigenes Kapitel wert.), es ist eine Institution und ein Werkzeug zum Kommunikation, Miteinander und Wohlbefinden im Büro zu verbessern. Manche Büros haben sogar gemeinsam organisierte Fikas, bei denen sich alle zum gleichen Zeitpunkt zum Kaffee trinken treffen. Zum Beispiel kann es sich dabei um eine Frühstücksfika handeln, bei der sogar (Knäcke)Brot mit Käse oder Marmelade bereit gestellt wird, oder eine Nachmittagsfika mit Keksen, Zimtschnecken, Eis oder Obst.

(Zudem trinken die Schweden natürlich zwischendrin auch Kaffee, aber der wird dann beim Arbeiten getrunken). Üblich sind 5 Minuten bezahlte persönliche Zeit („Paus“) pro Stunde als Arbeitnehmer, welche für Toilettengang, Fika, persönliche Telefonate o.ä. genutzt werden kann (dies ist aber kein im Gesetz verankertes Recht). Bei acht Stunden wären das dann 40 Minuten pro Tag. Ein bis zwei Fikas von je 10-15 Minuten Dauer sind also auf jeden Fall akzeptabel und üblich. Bei dem Büro, an das ich ausgeliehen wurden, gab es zwei mal täglich eine halbe Stunde gemeinsame Fika. Ab und zu werden die Fikas auch als offzielle Informationsplattform genutzt; dies geschieht jedoch wohl dosiert, denn Ziel der Fika ist ein zwangloses, informelles Miteinander der Kollegen, bei denen explizit auch Privates besprochen wird und werden soll.

Mittagsessen ist anders als in Norwegen unbezahlt und heißt „Rast“ (im Gegensatz zur kürzeren „Paus“ wie Fika).

Meetings

Meetings werden oft und lange gehalten; gerne auch mal 2 Stunden, und wenn es formelles Meeting ist, gerne auch in einer riesigen Gruppe, in der kaum nur wenige etwas beitragen. Es wird viel diskutiert, viel über unwichtige Sachen geredet, wenig entschieden, dafür viel vertagt – ein ziemlicher Kulturschock, obwohl ich im Vorfeld viel darüber gelesen hatte.

Ich muss zugeben, die Vorteile dieser Art von Meetings haben sich mir noch nicht richtig erschlossen. Angeblich nähert man sich durch eine Vielzahl an Treffen und Fikas am Ende einem Konsens an, mit dem alle zufrieden sind. Ich habe jedoch trotzdem oft versteckte Unzufriedenheit erlebt, und dass Leute am Ende entgegen der gemeinsam getroffenen Entscheidungen ihr eigenes Ding durchzogen...Nach außen sind alle meistens einer Meinung, aber innerlich dann oft doch nicht - schwer zu erkennen für jemanden wie mich, der aus einer relativ direkten Kultur kommt, welche Konfrontation nicht scheut…

Irritiert war ich auch davon, dass man Aufgaben oft weder richtig konkretisierte und noch verteilte. Zwar hat fast jede Person einen Verantwortungsbereich („Ansvar“), aber was das dann konkret bedeutet, und wer letztendlich darüber wacht, dass die Person ihrer Verantwortung auch nachkommt, wird häufig nicht richtig geklärt. Dadurch versanden Projekte oft, weil keiner sich verantwortlich fühlt, dass Sachen auch wirklich wie besprochen umgesetzt werden. (Hier pauschalisiere ich natürlich etwas, ich habe zwischendrin auch das Gegenteil erlebt, aber meinem Empfinden nach seltener als ich es aus Deutschland kenne).

Ich schätze viele kulturelle Eigenschaften der Schweden – Konstruktivität, Freundlichkeit, Ruhe, Rücksichtnahme, Freude an den kleinen Dingen im Leben, das Bedürfnis nach Harmonie. Dennoch sorgen gerade das Harmoniebedürfnis, das andere Bedürfnisse unterdrückt und Entscheidungen in der Gruppe erschwert, für Stress und für unterschwellige Konflikte. Alles hat eben zwei Seiten, und irgendwie ist es doch auch spannend, dass Kulturen so unterschiedlich sind.

 

Gehaltsverhandlung

Ich war nicht gering überrascht, als ich hörte, dass man sein Gehalt nicht selbst verhandeln muss (gilt nur für Unternehmen, die gewerkschaftlich angeschlossen sind). Das „Facket“ (der Betriebsrat) kann diese lästige Aufgabe für einen übernehmen, wenn man will. Dass Schweden historisch eine viel stärkere Arbeitnehmerbewegung hatte als Deutschland, und Gleichheit, Demokratie und Transparenz gesellschaftlich gefordert wird, wird hier sehr deutlich.

Vorteil ist, dass die Verhandler (Kollegen, die dafür vom Fackklubben jedes Jahr neu gewählt werden) einen Überblick über die aktuellen Löhne der Personen erhalten, die für sich verhandeln lassen wollen. Krasse Gehaltsunterschiede bei Mitarbeitern mit gleichen Qualifikationen fallen da natürlich sofort auf und können bei der Verhandlung adressiert werden. Nachteil ist, dass man die Kontrolle abgibt; zudem hat man nicht unbedingt dasselbe Ziel wie die Verhandler: diese wollen eine möglichst hohe Lohnsteigerung im Durchschnitt. “Lagom” für alle sozusagen (“Lagom” bedeutet: nicht zu viel und nicht zu wenig, genau richtig).Und natürlich sind es auch keine Profis in Verhandlung. Man selbst zwar oft auch nicht, aber man hat bei der eigenen Gehaltsverhandlung natürlich eine andere Motivation. Die Zahlen zeigen - zumindest nach der langjährigen Erfahrung von Kollegen - dass im Durchschnitt durch die gesammelte Verhandlung eine größere Gehaltssteigerung über die gesamte Gruppe erreicht wurde.

Für die meisten Deutschen dürfte diese Transparenz Unbehagen bereiten. Ich hatte außerdem das Bedürfnis, meine Verhandlungsfähigkeiten zu trainieren. Im ersten Jahr hab ich daher selbst verhandelt (mit mäßigem Erfolg), im zweiten Jahr verhandeln lassen (war auch nicht so erfolgreich; das Unternehmen hatte wenig Spielraum aufgrund von schlechter Auftragslage).

Fazit ist, dass es unklar ist, was für einen persönlich besser ist oder ob es überhaupt einen Unterschied macht. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit seinem Gehalt völlig daneben liegt ist allerdings gering, da Transparenz und Fairness (“Lagom”) schon einen hohen Stellenwert in Schweden haben.

 

Julia Schütz