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Gartenstadt

SÖdra ÄNGBY

Gartenstädte in Schweden

Mit der Industrialisierung Ende des 19.Jahrhunderts entstand auch in Stockholm wie in vielen anderen Großstädten Europas aufgrund des Bevölkerungswachstums ein prekärer Wohnungsmangel. Durch Armut und mangelnde Perspektiven setzte ab Mitte des 18. Jahrhunderts eine Massenauswanderung von Schweden in die USA ein, die bis in die 1920er Jahre anhielt. 1,5 Millionen Schweden verließen ihr Land in dieser Zeit (ungefähr 20% kamen irgendwann wieder zurück). Dies löste ein „nationales Trauma“ aus, und die Politik beschloss, dass gehandelt werden musste. Um Wohnungsmangel und schlechte Wohnbedingungen in der Innenstadt zu mindern wurde die Stadt aktiv und kaufte am Stadtrand (Enskede, Bromma) Grund und Boden auf.

Durch die Eingemeindungen der neuen Gebiete (u.a. Eingemeindung Bromma 1916) sollte Wachstum gesteuert werden. Steuern und potentielle Bodenpreissteigerungen sollten der Stadt zu Gute kommen. Der Ausbau der Straßenbahn trug zum Ausbau des Stadtteils Bromma bei. Durch deren Elektrifizierung 1901 konnten sowohl Geschwindigkeit und damit Reisezeit als auch Kapazität verbessert werden. Die Brücke über den Tranebergssund wurde 1914 errichtet.

Vorbild für die Siedlung Södra Ängby waren Gartenstädte in England und Deutschland. 1890 hatte der britische Stadtplaner Ebenezer Howard zum ersten Mal die Idee einer selbstversorgenden Satellitenstadt. Die erste Gartenstadt in diesem Geist, Letchworth in der Nähe von London, wurde 1903 fertiggestellt.

Ab 1907 entstand in Schweden die eine vom der nationalromantischen Strömung der Zeit beeinflusste Eigenheimbewegung der „Nationalförening“  , die als Ideal das eigene, kleine rote Häuschen als etwas ursprünglich schwedisches propagierte. Dieses sollte gesunde Lebensbedingungen ermöglichen, die die „steinerne Stadt“ nicht bieten konnte. Sonnige und luftige Gärten sollten unter anderem gegen Tuberkulose helfen.

Die städtebauliche Idee der Gartenstadt war auch eine Reaktion auf die stärker werdende Arbeiterbewegung. Ein Eigenheim würde die Verbundenheit zu Heim und Heimatland stärken, und wer durch Eigentum etwas zu verlieren hatte würde weniger an einem Umsturz der Gesellschaft zu verleiten sein, beschrieb Herrmann Ygberg, ein schwedischer Stadtingenieur, das Kalkyl politischen Entscheidungsträger, die die Idee der Gartenstadt forcierten. Die Gartenstadt würde also zwei Probleme lösen – den Markt zügeln, und die starke Arbeiterbewegung eindämmen.

Die Stadt Stockholm legte 1907 Richtlinien für Gartenstädte fest: Sie sollten zweckdienlich und schön sein, die natürlichen Qualitäten und die Aussicht sollte in der Gestaltung beachtet werden, größere und kleinere Parks sollten Bestandteil des Stadtplans sein, die Straßen sollten organisch dem natürlichen Geländeverlauf folgen (was auch kostengünstiger war als gerade Straßen in den oft felsigen Untergrund von Stockholm zu sprengen), Bäume durften nicht ohne Zustimmung gefällt werden. Diese Eigenschaften würden einen neuen, bisher unbekannten Typ von Stadt schaffen.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

1908 wurde eine eigene Behörde geschaffen, die Stockholms Landegendomsnämd, die das planen, bauen und verwalten der neuen Siedlungen übernehmen sollte (dies wurde ab 1919 von Fastighetskontoret übernommen).

Als Vorläufer der Gartenstädte wurden bereits dünn bebaute Villagegenden mit großen Grundstücken in Djursholm und Saltsjöbaden für wohlhabendere Bewohner geplant.

Bei den städtisch geplanten Gartenstädten nahm die Stadt das erste Mal langfristig Verantwortung für die Wohnraumversorgung. Die Idee war, dass das Haus, jedoch nicht der Grund, im Besitz der Bewohner war. Diese hatten ein 60-jähriges Mietrecht auf den Grund, das danach weitere 40 Jahre verlängert werden konnte. Die Stadt stellte die Grundstücke zum Selbstkostenpreis zur Verfügung, wodurch vorteilhafte Kredite den Erwerb eines Eigenheims auch für Normalverdiener erschwinglich wurde. Im Grundstücknutzungsvertrag legte die Stadt fest, dass in Södra Ängby ausschließlich gewohnt werden sollte, es waren keine Untermieter zugelassen. Die Gartenstadt sollte Teil der Stadt und nicht des Landes sein, daher war auch Nutztierhaltung untersagt.

In Gamla Enskede, der ersten Gartenstadt in Stockholm, waren die Grundstücke kleiner als in Bromma, welche wiederum kleiner waren als die in den Villengegenden Saltjöbaden und Djursholm. Allgemein waren die Stockholmer Gartenstädte kleiner als auf dem Kontinent oder in Großbritannien, und waren weniger auf Selbstversorgung ausgerichtet. In Södra Ängby fehlt der Selbstversorgungsaspekt vollständig, da die Gärten nicht als Nutzgärten konzipiert sind. Zudem ist der Stadtteil ausschließlich für Wohnnutzung und Nahversorgung der Bewohner konzipiert. Die funktionale Trennung von Wohnen (im Vorort) und Arbeiten (in der Stadt) ist charakteristisch für die Stadtplanung der Moderne.

Architektur in Södra Ängby

Seit der Stockholmausstellung 1930 war das Bauen im Stil des Funktionalismus, "Funkis", in Mode und prägte Södra Ängby, welches von 1933-39 enstand, maßgeblich. Leitideen waren Sonne, Licht und Luft, die Häuser in diesem Stil haben helle Farben und flache Dächer. Obwohl die Häuser in Södra Ängby in ihrer Gestaltung und Große variieren, haben sie einige Gemeinsamkeiten, die charakteristisch für den Funktionalismus in Schweden sind: frei stehende kubische Baukörper, glatt geputze Fassaden, große sprossenlose Fenster, die auf die Bedürfnisse des Innenraumes reagieren statt sich einem übergeordneten Fassadenthema zu beugen, Fensterbänder kleinere runde Fenster, geschwungene Balkone und elegante Schmiedearbeiten, schlanke Leitern, die aufs Dach führen. Die Gestaltung ist von Ozeandampfern inspiriert. Die Übergänge von Park zu privaten Grundstücken und zwischen den Grundstücken sind fließend.

Der Großteil der Häuser wurde vom Architekten Edvin Engström entworfen. Bei der äußeren Gestaltung der Häuser achtete er streng auf die Ausführung gemäß Entwurf, im Inneren ließ er den ausführenden Baumeistern jedoch freie Hand, so dass diese auch auf die Wünsche der Bauherren reagierten. Daher haben einige Häuser innen klassizistische oder nationalromantische Elemente, z.B. mit Blei eingefassten Fenstern mit Motiv. Geschwungene Treppenhäuser, offene Kamine mit abgerundeten Ecken, funktionale Küchen und Badezimmer mit farbigen Kacheln, eingebauter Badewanne und separater Dusche - typisch funktionalistische Gestaltungselemente - finden sich jedoch auch hier wieder.

Auch wenn die meisten Gebäude durch den weißen Kalkputz massiv wirken sind sie in traditioneller Holzleichtbauweise gefertigt. Einige der einfacheren Häuser haben außenseitig auch weißes Holzpanel. Das Flachdach mit der geringen Neigung war nicht unproblematisch, Feuchteschäden traten immer wieder auf.

Die in Södra Ängby geplanten Häuser suchen die Abgeschiedenheit und Ruhe, der Eingang wendet sich daher von der Straße ab und die Villen stehen durch einen grünen Isoliergürtel abgerückt von der Straße. Um Infrastrukturkosten zu senken wurden die Straßen schmaler geplant, die Straßenführung passt sich dem natürlichen, hügeligen Terrain an. Anders als andere Gartenstädte gibt es keinen zentralen Platz in der Mitte des Quartiers, jedoch gibt es einige öffentliche Grünflächen. An der heuten U-Bahn-Station fand sich eine Ladenzeile wieder, so dass die Bewohner hier den täglichen Bedarf an Lebensmitteln und Dienstleistungen decken konnten.

Die Zielgruppe in Södra Ängby waren Normalverdiener der Mittelschicht. So haben einige Häuser beispielsweise einen extra Raum für eine Haushaltshilfe. Die Häuser sind untereinander auf dem ersten Blick recht unterschiedlich, basieren aber auf einem ähnlichen Grundriss. Es gibt drei Größen - 120, 150 und ca. 180 qm.

Nicht alle Häuser sind besonders orginell oder werden für sich genommen als architektisch besonders wertvoll eingestuft, die Gesamtkompostion des Stadtteils und das Zusammenspiel der ungefähr 500 Häuser in ähnlichem Stil macht den Reiz und bauhistorischen Wert der Siedlung aus, die seit 1987 denkmalgeschützt ist. Die "weiße Stadt" (Vita Staden) Södra Ängby gilt als Stockholms letzte Gartenstadt. Im Bebauungsplan von 1995 regelt, welche Veränderungen an Gebäuden und Stadtraum zulässig sind. Dazu gehört der Erhalt der hellen Fassade, eine nachträgliche Anbringung von Wärmedämmung ist nicht zulässig, komplementäre Gebäude wie Gartenhäuser müssen uneinsehbar von der Straße gebaut werden, Carports oder Garagen sind unzulässig, für das Fällen von größeren Bäumen wird eine Genehmigung benötigt und die Grundstücke sind frei zu halten von dichten Zäunen oder Ummauerungen um den fließenden Charakter der Grünflächen zu erhalten. Gerade letzteres wird, wie man bei einem Spaziergang feststellen wird, nicht immer eingehalten.

 

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