Arbeiten in USA, Deutschland und Schweden: Ein Vergleich (als Architekt)
Arbeitszeiten & Urlaub:
Deutschland (2013-2016): 40h Woche offiziell, aber die meisten meiner Kollegen arbeiteten deutlich mehr. Feste Arbeitszeit von 9-18Uhr, kein Home-Office, keine Überstundenregelung. 25 Tage Urlaub, von denen 5 Tage an Weihnachten genommen werden mussten weil das Büro dann zu hatte. 10 Feiertage.
Schweden (2016-2018): 40h Woche, Gleitzeit mit Kernarbeitszeit von 9-16Uhr (Eltern mit kleinen Kindern, die Teilzeit arbeiteten, gingen meist gegen 15 Uhr). 25 Tage Urlaub, aber durch Elternzeit und Gleitzeitregel hatte man oft mehr Tage frei (z.B. 4 Wochen im Sommer, 2 an Weihnachten und dann noch hier und da einzelne Tage). Nach 15 Uhr gab es keine Meetings mehr, weil viele Eltern ihre Kinder dann abholten. Spätestens um 17.30Uhr war das Büro ziemlich leer, aber die meisten begannen ihren Arbeitstag zwischen 7-8 Uhr. 11 Feiertage
USA (2020-jetzt): 40h, 10 Tage Urlaub, 10 bezahlte Feiertage. (Schulen haben deutlich mehr Feiertage, “Bank holidays”, was für die Eltern extrem unpraktisch ist, da sie diese meist nicht frei haben). Nach Corona 1x pro Woche und nach Bedarf (Krankheit, Kinder krank, Schule zu) Home-Office. Im Sommer durfte ich 2 Wochen von Deutschland aus arbeiten, so dass ich mit meinem Urlaub insgesamt 4 Wochen in Deutschland war. Keine offiziellen Regeln zu Überstunden oder Arbeitszeiten, man macht persönlich aus was am besten für einen passt (z.B. wegen Kinder abholen). Teilzeit ist in hochqualizifierten Festanstellungen sehr ungewöhnlich (v.a. in teuren Städten wäre das auch Luxus), daher wird erwartet dass man seine Stunden Abends oder am Wochenende von Zuhause aus nachholt.
Kaffee Pausen, Mittagessen & Team Building
Deutschland: Es war bei uns ziemlich üblich sich mehrmals am Tag einen Kaffee zu holen und dann einen kurzen Plausch in der Küche oder am Tresen zu halten. Mittags gingen wir meist essen (Mittagstisch für ca. 6-8 Euro), was mind. 1h dauerte. Abends ging man gerne Kollegen nach was trinken (Weihnachtsmarkt oder Bar). Das Büro veranstaltete ab und zu mal soziale Events, z.B. Bowling, Kochkurs oder After-Work mit Drinks im Büro.
Schweden: Die Schweden sind bekanntermaßen Meister im sozialen Kaffee-Trinken. Um 9 Uhr und um 15 Uhr ließen alle ihren Stift fallen und pilgerten in die Küche um dort 15-20 Min “Fika” zu machen. Manchmal gab es auch Kanelbullar oder anderes Gebäck, was vom Büro gesponsert wurde (z.B. am Kanelbullens dag oder Semlor an Fasching.) Jeden Montag gab es eine Besprechung fürs gesamte Büro bei dem es Brot mit Käse und Marmelade gab. Mittags bringen sich viele Leute was selbstgekochtes mit und essen das im Büro im Pausenraum. Oder sie holen sich was, kommen aber mit dem Essen zurück um mit den anderen Kollegen zusammen zu essen. Sich im Restaurant hinzusetzen war etwas besonderes und geschah eher selten, obwohl es nicht teurer war als mitnehmen. Typischerweise gab es einen vergünstigten Buffet-Mittagstisch for 100SEK incl. Kaffee. Die meisten meiner Kollegen machen eine 30-45min lange Pause.
Es gab auch sehr häufig “After-Works” oder Parties um Büro – entweder offiziell organisiert durch das Büro, oder informell und eher spontan durch Mitarbeiter. Wir gingen auch oft was Trinken nach der Arbeit. Die Weihnachtsfeier, eine Verkleidungsparty mit Thema, war ein ziemliches Highlight, und wurde komplett von Mitarbeitern organisiert. Daneben gab es auch noch Team-Building Events und kleine (1 Tag in der Nähe) und große (5 Tage) jährliche Studienreise/Exkursion zu interessanten Architekturdestinationen.
USA: Diese Kategorie ist mein größter Kulturschock. In meinem Büro wird nie eine Kaffee-Pause, wie ich sie kenne, gemacht. Ab und zu holt sich jemand Kaffee an einem Coffee To go Laden, aber danach wird dieser am Platz getrunken. Oftmals bringt man auch den anderen was mit, so dass es effizienter ist und keiner seine Arbeit unterbrechen muss. Auch das Mittagsessen wird meistens vor dem Computer gegessen (ein Schweden aus sozialen und hygienischen Gründen ein Tabu) und dauert damit meist 0-20 Min. Restaurants bieten keinen Mittagstisch an, die billigste Option ist typischerweise ein Burrito fur $10-15.
Lustigerweise bin ich als Deutsche die Person, die immer Small Talk initiiert, ansonsten würde wahrscheinlich keiner über Privates reden. Dazu muss man allerdings sagen, dass mein Büro eher aus Introvertierten zu bestehen scheint und auch ziemlich klein ist.
Alle paar Monate machen wir “Museum Friday”. Wir werden zum Mittagessen eingeladen und schauen uns danach ein Museum an. Um 15 Uhr gehen dann meist alle nach Hause. Bei besonderen Anlässen, welche alle paar Monate sind, werden wir zum Mittagessen eingeladen.
Die Arbeit
Deutschland: Hier habe ich sehr viel in frühen Phasen gearbeitet (Wettbewerb), und wurde ziemlich ins kalte Wasser geworfen. Viele meiner Kollegen waren auch recht jung und haben dafür schon recht viel Verantwortung gehabt. Praktikanten waren voll in die Projekte oder Wettbewerbe integriert. Der Umgangston der Chefs war oft sehr direkt und rau, gelegentlich mit ein bisschen Drama, das alle mitbekamen. Der Zusammenhalt im Team, und Hilfsbereitsschaft zwischen Teams, war sehr ausgeprägt. Stress und Überforderung schweißten einen zusammen. Deadlines mussten verpflichtend eingehalten werden um Vertragsstrafen zu vermeiden. Dies, gepaart mit fehlender Erfahrung, Reife und suboptimaler Mitarbeiterführung machte den Job sehr stressig. Wir haben uns zwar alle geduzt, aber trotzdem war die Hierarchie zwischen Chefs und Angstellten sehr ausgeprägt (die Chefs hatten z.B. ihr eigenes Büro).
Schweden: Eine sehr unaufgeregte, freundliche Arbeitsatmosphäre mit sehr netten und inspirierenden Menschen, aber nicht ohne soziale Spannungen und Konflikte. Die Arbeitskultur war sehr unhierarchisch – selbst Praktikanten wurden um ihre Meinung gefragt und waren voll in die Projekte integriert. Die Führungsebene hatte die schlechtesten Plätze im gesamten Büro, da sie diese ohnehin nur selten nutzen weil sie soviel unterwegs waren. (Undenkbar in USA). Auch wenn die meisten freundlich waren, gab es nicht soviel proaktive Hilfe/Interesse an Projekten außerhalb des eigenen Projekts, wodurch Wissenstranfer nicht so gut gelang wie es hätte sein können. Die Architekturausbildung in Schweden ist sehr konzeptionell und weniger technisch als in Deutschland, und Architekten haben auch deutlich weniger Verantwortung und Kontakt zur Baustelle. Mein Eindruck war es, dass fehlende Grundlagen in der Ausbildung, fehlendes Feedback in der Bauphase, zusammen mit dem eher geringem Austausch zwischen Projekten und einer Kultur des Vermeidens von Konflikten dafür sorgte, dass es selbst bei erfahrenen Mitarbeitern manchmal doch an praktischem Wissen in der Bauphase mangelte. “Architekt” ist kein geschützter Titel.
USA: Verglichen mit Deutschland und Schweden ist es in meinem Büro sehr hierarchisch, und man muss sich jahrelang hocharbeiten. “Pick up readlines” (detailliert vorgenommene Korrekturen der Projektleitung an den Plänen vorzunehmen) oder das Abzeichnen von handgezeichneten Details ist ein typischer Job von Mitarbeitern mit 5 Jahren Studium 3+ Jahren Berufserfahrung. Praktikanten werden gar nicht an Projekte gelassen. Absolventen mit einem Masterabschluss werden oft mehr geachtet als die, die “nur” einen Bachelor haben (der meist 5 Jahre dauert). Und wer den Prozess der Architektenlizensierung erfolgreich durchlaufen hat kann sich auf mehr Status und deutlich mehr Gehalt freuen.
Der Kunde ist König und wird immer freundlich behandelt. Die Kunden sind sehr fordernd, aber bleiben stets freundlich. Auch von Fachplanern wird man nie zurecht gewiesen (etwas, was einen in Deutschland schon passieren kann). Wenn die Ansprüche der Architekten zuviel werden wird es entweder ignoriert, oder freundlich darauf verwiesen, dass die Extrarunde an Änderungswünschen weitere Kosten mit sich bringt. Die “Contractor” (Generalunternehmer) haben sehr viel Verantwortung. Sie machen Kostenschätzungen und Ausschreibungen und die Bauleitung. Bei vielen (privaten) Projekten sind sie in der Bauphase weitestgehend auf sich allein gestellt. Selbst wenn Architekten am Bau beteiligt sind, machen sie typischerweise nur künstlerische Oberleitung, d.h. sie tauchen wöchentlich auf der Baustelle auf und schauen sich den Baufortschritt an, oder reagieren auf aufkommende Probleme oder Fragen.