Arbeitsalltag als Architekt

Entwurfsprozess

In 3D entwerfen mittlerweile die meisten Büros- das ist in Deutschland sicher nicht anders mittlerweile. In Schweden ist jedoch die Projektierung in 3D und „BIM“ auch sehr verbreitet. (Wobei die Definition von BIM wirklich sehr unterschiedlich gehandhabt wird). Virtual Reality Brillen, Lasercutter, 3D-Drucker – je fancier, desto besser. Das Gute alte Modellbauen wird eher stiefmütterlich behandelt. Es gibt auch Büros, die gar keinen Modellbaubereich mehr haben, was ich persönlich sehr schade finde. Immerhin gibt es noch Skizzenrollen...

Zusammenarbeit mit Fachplanern

Der Arbeitsalltag unterscheidet sich in Schweden nicht besonders von dem in Deutschland. Auffällig ist, dass allgemein sehr wenig telefoniert wird; ein bisschen ein Rätsel ist mir tatsächlich, dass die Zusammenarbeit mit den Fachplanern und und anderen Beteiligten überhaupt funktioniert, denn auch Emailverkehr und persönliche, spontane Arbeitstreffen fanden bei meinen Projekten seltener statt als ich es gewohnt war. Ein Grund ist sicher, dass der Architekt eine weniger wichtige Rolle hat als in Deutschland. Er oder sie hat sein Aufgabengebiet und versucht den anderen so wenig wie möglich in die Quere zu kommen. Auch beim Zeichnen von Details wird möglichst nur die für den Architekten relevanten Ding gezeichnet, der Rest wird grau schraffiert und auf Statik (oder andere Fachplaner verwiesen). Eigentlich finde ich das garnicht so dumm, Probleme entstehen allerdings dann, wenn man überhaupt keine Ahnung hat, was das Graue überhaupt darstellt. Die meisten Kollegen scheinen damit klarzukommen - mir fällt es schwer, wenn ich nicht die Zusammenhänge verstehe.

Bezahlung der Architektenleistungen

Es gibt in Schweden kein Äquivalent zur HOAI, Preise können frei verhandelt werden. Dennoch können die meisten schwedischen Büros komfortabel arbeiten – Studienreise, bezahlte Überstunden, Weiterbildung, Obstkorb und höhenverstellbare Schreibtische sind keine Ausnahme. (Sicher gibt es einige kleinere Büros oder sehr künstlerisch arbeitende Büros, bei denen es anders ist). Woran liegt das? Ich vermute, es liegt an dem Prinzip der Bezahlung nach Stunde statt einer Pauschale. Sicherlich hat die Pauschale den Vorteil, dass ein effizientes Arbeiten den Gewinn des Büros steigert, da dieses ja dann weniger Gehälter zahlen muss bei gleichen Umsätzen. Die Gewinnmarginale bei einer Bezahlung nach Stunde ist mehr oder weniger fest. Dennoch hat es denn Vorteil, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht in einem Interessenskonflikt landen. Die meisten Stunden, die gleistet werden, können auch in Rechnung gestellt werden und produzieren Gewinn. Das seltsame am schwedischen System ist jedoch, dass es dennoch ein „Budget“ gibt. Man muss also dennoch mit seinen Stunden haushalten, denn überschreitet man das im Vertrag festgelegte Budget muss man geschickt argumentieren, warum. Im Grunde entspricht das ja einer Pauschale nach HOAI (bei der man ja auch bestimmte Leistungen zusätzlich in Rechnung stellen könnte, was aber viele deutsche Büros oft nicht tun), nur dass die Architekturbüros bei effizienter Arbeitsweise, bei dem sie unter dem Budget bleiben, keinerlei Nutzen daraus ziehen. Lediglich der Auftraggeber freut sich, dass es günstiger geworden ist. Zusätzlich können die Büros dennoch nicht einfach planlos drauf los arbeiten und sich darauf verlassen, dass ihnen schon alles bezahlt wird. Warum also kaum ein Büro nach Pauschale arbeitet hat sich mir also noch nicht erschlossen.

Wettbewerbe

Wettbewerbe in Schweden sind soviel entspannter als in Deutschland. Keine Prüfpläne, keine seitenlangen Auslobungen und hunderte von Unterlagen, kein Brennen der Pläne auf CD (wer hat heutzutage noch einen CD-Brenner?), keine Verkleinerung der Pläne auf A3/tiff/jpg/pdf mit max. 5MB Größe, zu denen alle 200 Teilnehmer gezwungen werden, auch wenn diese Sachen am Ende nur für die Publikation der drei Sieger genutzt werden...Wettbewerbe können zudem oft digital per Mail eingereicht werden (wie Anonymität sichergestellt wird weiß ich ehrlich gesagt nicht), gedruckte Beiträge werden gerne auf Kappaplatten (max. A1) geklebt.

Als ich zwischendrin mal wieder Lust auf einen Wettbewerb hatte und gerade kein schwedischer angeboten wurde, nahm ich an einem deutschen Wettbewerb teil. Die Aufgabe war interessant, leider hatte ich nur zwei Wochen Zeit (und das neben der Arbeit). Von den 15 Tagen Wettbewerb war ich gefühlte 3 Tage nur beschäftigt, die Prüfpläne zu erstellen, die Tabellen mit Flächen auszufüllen und die Daten auf dem Datenträger (USB-Stick, denn keiner hat hier einen CD-Brenner) in dem vorgegebenen System zu organisieren. Danach hatte ich erstmal die Schnauze voll von Wettbewerben. Es erinnerte mich daran, warum ich eigentlich einen Job in Skandinavien suchen wollte.

Viele Sachen laufen in Deutschland gut; Ich bin stolz auf die Hohe Fachkompetenz von Architekten und der handwerklichen Qualität des Bauens. Aber der Stress, der einen (meiner Meinung nach unnötigerweise) von Bauherren und Behörden gemacht wird ist wirklich zermürbend. Und dieser beginnt bei Wettbewerben und nicht bezahlten Studien (Akquise), und zieht sich über den gesamten Prozess, bis das Gebäude da steht und noch Jahre darüber hinaus.

Kündigung und Arbeitslosigkeit

Nach einem Jahr mit vollen Auftragsbüchern und vielen Neuanstellungen ruhten in diesem Jahr entgegen aller Annahmen viele potenzielle Projekte. Nach einigen Monaten abwarten und hoffen entschied sich mein Büro schließlich, ein Fünftel seiner Belegschaft zu entlassen. Ab einer bestimmten Zahl von Entlassungen muss dies beim Arbeitsamt gemeldet werden, und es gelten dann auch zusätzlich zur Kündigungsfrist bestimmte Fristen. Die Anmeldung der Anzahl der potenziellen Kündigungen nennt man „Varsel“, bei diesem Vorgang legt man die maximale Anzahl an Kündigungen fest. Der Arbeitgeber kann dann aber entscheiden, ob er eventuell auch weniger Leute entlässt.

Da das Büro einen Betriebsrat hat, mussten die Entlassungen zudem mit diesem verhandelt werden. Grundsätzlich gilt: „Last in- first out“. Allerdings ist das keine pauschale Regel bei der keine Ausnahmen gelten; die Arbeitnehmer dürften sinnvollerweise in Kategorien eingeteilt werden (z.B. die Kategorien Projektarchitekt, Projektleiter, Buchhaltung, Kommunikation, Bauzeichner, Mitarbeiter die Wettbewerbe bearbeiten usw.) Dann kann der Arbeitgeber bestimmte Kategorien ausschließen, also z.B. bestimmen, dass der Buchhalter essentiell für den Fortbestand sind und deshalb nicht entlassen werden kann, selbst wenn er oder sie am kürzesten in der Firma beschäftigt ist. Es können aber auch einzelne Personen innerhalb einer Kategorie ausgenommen werden, z.B. weil sie Experten sind oder ein konkretes Projekt haben und nicht einfach durch einen anderen ersetzt werden können. Nach mir wurden 20 Personen eingestellt, weswegen ich mich ziemlich sicher gefühlt habe. Am Ende gelangten sie dennoch bis zu mir, da durch die gebildeten Kategorien viele Kollegen direkt „übersprungen“ wurden. Ich wurde dann auch übersprungen, da ich voll in einem Projekt integriert und dadurch nicht einfach so ersetzbar war. Glück gehabt...

Die Kündigungsfrist gilt erst nach einem geplanten Urlaub oder Elternzeit (in unserem Fall der lange Sommerurlaub).

In Schweden gibt es übrigens keinen besonderen Kündigungsschutz für Schwangere (sie dürfen natürlich nicht auf Grund der Schwangerschaft entlassen werden).

Arbeitslosenversichert ist man in Schweden nicht automatisch. Als Architekt kostet die Mitgliedschaft jedoch nur 110 SEK im Monat (Stand: 2018). Um ein einkommensbasierte Arbeitslosengeld zu erhalten muss man zudem bestimmte Vorrausetzungen erfüllen. z.B. mindestens 12 Monate eingezahlt haben. Ist man empfangsberechtigt bekommt bis zu einem bestimmten Einkommen 80% des Lohns, darüber maximal 910 SEK pro Arbeitstag. (d.h. bei Vollzeitarbeit und ca. 20 Arbeitstagen im Monat umgerechnet max. ca. 1900 Euro). Hat man über den Fackförbundet, kurz „facket“ (Gewerkschaft) eine Einkommensversicherung bekommt man zusätzlich noch etwas.

Arbeitslosengeld muss versteuert werden und wird bei der Berechnung der Rente brücksichtigt.

Wird man arbeitslos ohne Versicherung bekommt man nur eine „Grundersättning“ von ca. 800 Euro. Arbeitslosengeld erhält man auch wenn man selbst kündigt nach einer gewissen Sperrzeit.

Julia SchützKommentieren